Gedanken zur Monatslosung

Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. 3. Mose 19,33

 

 

Ich muss zugeben, so ganz wohl war mir bei dem Gedanken zum Thema „Fremde in unserem Land“ etwas zu sagen und zu schreiben nicht. Heute, in einer Zeit, in der gegen Fremde gehetzt wird, der Fremdenhass salonfähig gemacht und im Wahlkampf benutzt wird, um zu polarisieren. Aber oder vielleicht gerade deshalb ist es wichtig hinzuschauen und als Kirche und ganz persönlich als Christin Stellung zu beziehen. Und ich möchte, dass wir uns daran erinnern, dass wir alle nur zu Gast auf dieser Erde sind und unser Gott alle Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat, nicht nur uns Deutsche. Und deshalb gibt es auch im März die Gedanken zur Monatslosung von mir.

Mose erhält den Auftrag von Gott, zur Gemeinde des Volkes Israel zu sprechen und sie aufzufordern, heilig zu sein, wie Gott selbst es ist. Diese Heiligkeit Gottes zeigt sich in den Regeln für das Zusammenleben, die Mose gemäß seinem Auftrag an das Volk Israel weitergibt. Die Regeln betreffen vor allem das soziale Leben, also das Miteinander in der Gemeinschaft des Volkes Israel, und sollen zum Gelingen des Zusammenlebens beitragen. Da heißt es z.B. Ihr sollt ein Feld nicht ganz abernten, sondern am Rand etwas stehen lassen für die Armen, oder ihr sollt niemanden täuschen und euch gegenseitig nicht betrügen, oder ihr sollt niemanden ausbeuten und niemanden verleugnen. Also ganz viele Regeln, die uns als selbstverständlich für das Miteinander scheinen, es aber doch oft leider nicht sind. Und das war damals beim Volk Israel nicht anders als in unserer Gesellschaft heute.

Weiterlesen

Eine dieser Regeln für das gelingende Zusammenleben ist auch unsere Monatslosung aus Vers 33 und, wie ich finde, so aktuell wie nie zuvor: Hier sieht Gott die Fremden im Land der Israeliten an und fordert das Volk Israel auf, diese nicht zu unterdrücken. Im darauffolgenden Vers heißt es: Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der HERR, euer Gott.“

Den Fremden lieben, wie uns selbst, ihn behandeln wie einen Einheimischen und sich daran erinnern, dass man selbst fremd ist. Das klingt sehr menschenfreundlich, sehr sozial, ja heilig, wie Gott es ist. Aber ist das so einfach, wo uns doch die Medien allzu oft davon berichten, wie Integration wieder einmal nicht gelungen ist. Da ist ein Fremder in unserem Land, der in einen Weihnachtsmarkt fährt und vielen Menschen Verletzungen und Leid zufügt, ja tötet. Da ist ein Fremder in unserem Land, der auf eine Kindergartengruppe mit einem Messer einsticht, verletzt und tötet, für Entsetzen und Verzweiflung sorgt. Da ist ein Fremder in unserem Land, der in eine Gruppe Demonstrierender rast und viele Verletzte hinterlässt, den Tod der Menschen in Kauf nimmt, ja sogar bewusst herbeiführt. Und leider ließe sich diese Liste noch weiterführen. Also wie soll man diese Fremden lieben, die so viel Leid über uns bringen? Meint Gott diese überhaupt?

Gott schließt niemanden aus dieser Regel aus, also bin ich überzeugt davon, ja, er meint wohl auch diese Fremden. Und nein, ich möchte wahrlich nicht rechtfertigen, was durch diese Menschen passiert ist. Jede einzelne Tat hat unerlässliches Leid gebracht und ist mit nichts zu rechtfertigen.

Aber Jesus hat genau diese aufgesucht, mit Zöllnern und Sündern gespeist, noch am Kreuz einem Mörder vergeben und ihm das Himmelreich zugesprochen. Er sagte von sich selbst, dass er für die gekommen ist, die seiner Gnade bedürfen. Was uns schwer annehmbar scheint, spricht doch von der heilsamen Gnade Gottes, die uns allen gilt, auch den Mördern. Denn bei Gott ist es nie unmöglich umzukehren, Vergebung zu erfahren und das gute Teil zu wählen.

Aber ich frage mich auch, ob wir an dem Leid, das durch einzelne Menschen angerichtet wurde, als Gesellschaft nicht doch unseren Anteil tragen. Und wieso vergessen wir bei aller Berichterstattung immer die abertausend Fremden in unserem Land, die unsere Gesellschaft maßgeblich mitgestalten und stützen, in unserem Gesundheitswesen, Handwerk, Landwirtschaft, Einzelhandel u.v.m. für uns Tag und Nacht ihren Dienst tun? Vielleicht sollten wir täglich von diesen Menschen berichten und uns nicht nur mit den Einzelfällen beschäftigen. Denn das wird den vielen Fremden, die unser Land bereichern, nicht gerecht.

Wenn ich zugegebenermaßen provokant frage, ob wir an dem Leid, das durch einzelne Menschen angerichtet wurde, als Gesellschaft nicht doch unseren Anteil tragen, dann tue ich das vor dem Hintergrund dessen, was die Monatslosung von uns fordert.

Wenn Gott uns auffordert, die Fremden in unserem Land wie Einheimische zu behandeln und zu lieben, wie uns selbst, müssen wir uns doch die Frage stellen lassen: Wie würden wir uns denn selbst behandeln, wenn wir an der Stelle der Fremden wären?

Würden wir uns in dezentralen Containern oder Zelten unterbringen, bloß damit wir die gewohnte heile Welt der Einheimischen nicht stören, bestenfalls unsichtbar und lautlos für sie sind? Würden wir uns in beengten, notdürftig voneinander abgetrennten „Wohneinheiten“ mit lauter Fremden unterbringen ohne jegliche Privatsphäre? Würden wir uns mit unseren Traumatisierungen, die Krieg und Flucht mit sich bringen, alleine lassen? Würden wir Monate oder gar Jahre warten, damit wir endlich einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen, der Enge unseres Zeltes oder Containers entkommen und unser eigenes Geld verdienen können? Würden wir uns Ausgangssperren verhängen lassen?

Auch diese Liste ließe sich endlos weiterführen und diese klingt so gar nicht menschenfreundlich, sozial oder gar heilig wie Gott es ist. Ist das unsere Vorstellung von „Liebe den Fremden wie dich selbst und behandle ihn wie einen Einheimischen?“ Meine Vorstellung davon ist dies jedenfalls nicht.

Vielleicht könnten wir viele der so oft polarisierend beschriebenen „Probleme mit Ausländern“ ja verhindern, wenn wir ihnen menschenfreundlich und nicht menschenfeindlich begegneten. Wenn wir in ihnen die Bereicherung für unser Zusammenleben sehen würden, die sie sind und nicht den Untergang unserer Kultur und unseres gewohnten Wohlstandes. Wenn wir in ihnen das sehen würden, was Gott in ihnen sieht – liebenswerte Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, die es wert sind, als solche behandelt zu werden.

Denn Gott macht keine Unterschiede zwischen Herkunft, Aussehen oder kulturellem Hintergrund. Gott liebt alle Menschen gleichermaßen und erachtet alle Menschen für gleichermaßen wertvoll. Unser Auftrag ist es, heilig zu sein, wie Gott es selbst ist, uns daran zu erinnern, dass wir selbst Fremde auf dieser Erde sind und niemand mehr wert ist als der andere. Darauf sollten wir uns als Gesellschaft rückbesinnen. Denn nicht zuletzt haben wir Deutschen in unsere Verfassung geschrieben, dass wir in dem Bewusstsein vor Gott allen Menschen in unserem Land ihre Würde lassen und sie als gleichwertige Mitmenschen behandeln. Jesus hat es uns vorgelebt, tun wir es ihm gleich.

Gedanken zur Monatslosung von Antje Behr

Musik: Worship Piano, Interpret: Denis Pavlov